Kommt eine zweite Corona-Welle?

Hunderte Infektionen und ein stark steigender R-Wert: Droht in Deutschland eine zweite Corona-Welle?

Nicht nur in Südkorea und Israel, auch in Deutschland wächst die Sorge vor einer zweiten Welle von Corona-Infektionen. Das Robert Koch-Institut meldete zuletzt 537 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Besonders auffällig ist dabei, dass der Virus-Reproduktionsfaktor R über das Wochenende deutlich über den kritischen Wert von 1 geklettert ist: Das eher auf kurzfristige Änderungen reagierende “4-Tage-R”” werde nun auf 2,88 geschätzt, das ausgeglichenere “7-Tage-R” auf 2,03, erklärte das Robert Koch-Institut. Schon am Samstag war das “4-Tage-R” auf 1,79 und das “7-Tage-R” auf 1,55 gestiegen.
Allerdings liegt die Zahl der erfassten aktiven Corona-Fälle weiterhin sehr niedrig. Knapp 6200 Menschen gelten aktuell in Deutschland als infiziert, davon entfallen mehr als 2500 auf NRW. In anderen Bundesländern gibt es nur wenige aktive Fälle: In Mecklenburg-Vorpommern 18, in Schleswig-Holstein 23. Dass auch die Zahl der Neuinfektionen auf das gesamte Land betrachtet niedrig bleibt, zeigt die kumulative Inzidenz der vergangenen sieben Tage, die deutschlandweit bei etwa vier Fällen pro 100.000 Einwohnern liegt. Aus 146 Landkreisen wurden dem RKI in den letzten sieben Tagen gar keine Fälle übermittelt.

NRW besonders betroffen

Von einem bundesweit gestiegenen Infektionsgeschehen kann also keine Rede sein. Als Hauptgrund für den steigenden R-Wert sieht das RKI vielmehr lokale Ausbrüche, allen voran bei dem Unternehmen Tönnies in Ostwestfalen. Dort wurden bereits mehr als 1000 Personen positiv getestet; im Kreis Gütersloh wurden auf 100.000 Einwohner 243 Neuinfektionen in den vergangenen Tagen erfasst – absoluter Negativrekord in Deutschland. In den benachbarten Kreisen liegen die Werte ebenfalls relativ hoch.
Neben dem schweren Ausbruch bei Tönnies gibt es weitere lokale Geschehen, so beispielsweise in Berlin-Neukölln und Göttingen. Aber auch für Düsseldorf weist das RKI hohe Zahlen aus: Dort liegt die Inzidenz der vergangenen sieben Tage bei 17,4; es wurden 108 Fälle registriert. Zum Vergleich: Im deutlich größeren Hamburg waren es im gleichen Zeitraum 22 neue Infektionen, was 1,19 Fällen auf 100.000 Einwohnern entspricht.

Schulen geschlossen

Wegen Infektionen mussten zudem mehrere Schulen in Dortmund bis zu den Sommerferien schließen. Auch in Magdeburg habe ein Ausbruchgeschehen, von dem mehrere jetzt geschlossene Schulen betroffen sind, zu einem Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz geführt, teilt das RKI im jüngsten Lagebericht mit. Das Institut stellt außerdem fest, dass es weiterhin Covid-19-bedingte Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern gebe.
Es handele sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation, warnt das RKI. Die Anzahl der neu übermittelten Fälle sei aktuell rückläufig – das RKI schätze die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit aber weiterhin insgesamt als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch.

Welche Folgen haben die Ausbrüche?

Von einer zweiten Welle kann bislang aber keine Rede sein, sondern von lokalen Ausbruchsgeschehen, bei denen die Hintergründe zumeist nachvollziehbar sind. Da die Fallzahlen in Deutschland insgesamt auf niedrigem Niveau liegen, beeinflussen diese Ausbrüche den Wert der Reproduktionszahl stark.
Ob die lokalen Ausbrüche auch regional oder bundesweit Konsequenzen haben werden, lässt sich noch nicht abschätzen: “Die weitere Entwicklung muss in den nächsten Tagen beobachtet werden”, betont das RKI, “insbesondere in Bezug auf die Frage, ob es auch außerhalb der beschriebenen Ausbrüche zu einem Anstieg der Fallzahlen kommt”. Das Infektionsrisiko sei stark von der regionalen Verbreitung, von den Lebensbedingungen und auch vom individuellen Verhalten abhängig, bilanziert das RKI, das am Dienstag weitere Einschätzungen zur aktuellen Lage mitteilen will.

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